E-Commerce

Illegale und gefährliche Produkte bei AliExpress und Temu

Christian Sturm

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Die EU-Kommission hat AliExpress und Temu ins Visier genommen. Es geht um illegale und potenziell gefährliche Produkte wie Arzneimittel, Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel (AliExpress) sowie Babyspielzeug und Elektronik (Temu). Wir erklären euch, was es damit auf sich hat.

Rechtlicher Rahmen: Der Digital Services Act (DSA)

Der DSA verpflichtet Online-Marktplätze dazu, systematisch Risiken durch illegale und gefährliche Waren zu bewerten und entsprechende Gegenmaßnahmen zu dokumentieren. Nutzer:innen müssen die Möglichkeit haben, Verstöße ohne Aufwand zu melden. Die Unternehmen müssen die Meldungen bearbeiten und protokollieren. Die Plattformen sind ebenfalls verpflichtet, transparente Berichte über Vorfälle und Maßnahmen zu veröffentlichen. Tun sie dies nicht, drohen ihnen Geldbußen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sagte dazu: „Bei dem Gesetz über digitale Dienste geht es nicht nur um Hassreden, Desinformation und Cybermobbing. Es soll auch sicherstellen, dass illegale oder unsichere Produkte, die in der EU über E-Commerce-Plattformen verkauft werden, entfernt werden, einschließlich der wachsenden Zahl gefälschter und potenziell lebensbedrohlicher Medikamente und Arzneimittel, die online verkauft werden.“

Worum es bei AliExpress geht

Es wurden insbesondere gefälschte Arzneimittel mit falschen Dosierungsangaben und Nahrungsergänzungsmittel ohne Zulassung, Kosmetika mit nicht deklarierter oder toxischer Chemie aber auch Spielzeug mit verschluckbaren Kleinteilen sowie pornografische Inhalte entdeckt. Die gefälschten und illegalen Produkte sollen hauptsächlich über versteckte Links erreichbar sein.

Die EU-Kommission forderte im November 2023 von AliExpress detaillierte Auskünfte zu Risikobewertungen und Minderungsmaßnahmen zum Schutz der Verbraucher:innen auf der Plattform an. Da die Antworten nicht zufriedenstellend waren, leitete sie im März 2024 ein förmliches Verfahren aufgrund des Verdachts unzureichender Kontrollen bei illegalen und jugendgefährdenden Produkten ein.

Im Juni 2025 stellte AliExpress ein zentrales Verbraucherbeschwerdeportal sowie verbesserte Moderationsprozesse vor und erhöhte die Transparenz von Werbeanzeigen durch klare Kennzeichnungspflichten. Des Weiteren wird die Plattform einem unabhängigen Überwachungstreuhänder regelmäßig Bericht erstatten, welcher die EU-Kommission jährlich unterrichtet. Auch soll Forscher:innen der Zugang zu öffentlichen Daten gewährt werden.

Die EU-Kommission akzeptierte die rechtlich bindenden Zusagen des chinesischen Online-Marktplatzes zur Systemverbesserung und veröffentlichte die vorläufigen Untersuchungsergebnisse. Darin wird AliExpress vorgeworfen, gegen EU-Vorschriften zur Verbreitung illegaler Produkte zu verstoßen.

Die Plattform setzt zur Bekämpfung der Risiken automatisierte Filter für Schlüsselbegriffe ein, und kombiniert diese mit manuellen Stichprobenkontrollen durch ein spezialisiertes Moderationsteam. Es bleiben jedoch weiterhin zentrale Fragen offen. Inwieweit sind die Kontrollen in allen Regionen gleichermaßen wirksam? Wie schnell werden gemeldete Produkte tatsächlich entfernt? Können Händler:innen mit Scheinprofilen weiterhin versteckt illegal handeln?

Temu: Einstufung als Hochrisikoplattform und EU-Untersuchungen

Auch an Temu wurde durch die EU-Kommission ebenfalls ein Auskunftsersuchen entsprechend des DSA versendet. Die Rückmeldung des Unternehmens war ebenfalls nicht befriedigend. Daher wurde im Oktober 2024 ein förmliches Verfahren eingeleitet. Ende Juli 2025 veröffentlichte die EU-Kommission ihre vorläufige Feststellung, welche besagt, dass Temu gegen den DSA in Bezug auf illegale Produkte verstößt. Das Unternehmen hat nun die Möglichkeit, die Untersuchungsakte einzusehen und schriftlich zu reagieren.

Mit Hilfe anonymer Testkäufe im Juli 2025 wurde aufgezeigt, dass Temu häufig Babyspielzeuge ohne CE-Kennzeichnung und Elektronik mit mangelhaften Sicherheitskomponenten vertreibt. Nach dem DSA ist die Plattform verpflichtet, umfassende Risikoanalysen für alle Produkte vorzulegen. Außerdem müssen Prüfprozesse und die Entfernung illegaler Angebote transparent nachgewiesen werden. Kritisiert werden langsame Reaktionszeiten bei Nutzerbeschwerden und das Fehlen automatischer Sperrmechanismen.

Neben der Produkt- und Händlerrisikoanalyse untersucht die EU außerdem den Einsatz von Dark Patterns (manipulatives Design) zur Beeinflussung und Manipulation von Kaufentscheidungen sowie die Temu typischen Count-down-Rabattaktionen und gefälschte Nutzerbewertungen, womit das Vertrauen in die Plattform gestärkt werden soll.

Ausblick und Empfehlung

Die EU wird voraussichtlich detailliertere Leitlinien zur Produktprüfung veröffentlichen und nationale Verbraucherschutzbehörden könnten verpflichtende Zertifizierungsverfahren für alle Produktkategorien etablieren. Plattformen müssen in Echtzeit-Erkennungssysteme investieren, um illegale Angebote umgehend zu blockieren. Verbraucher:innen tun gut daran, Bewertungen kritisch zu hinterfragen und bei Zweifeln auf zertifizierte Händler aus der EU zurückzugreifen.