Interview

Zoll und Steuern: Vorsicht beim grenzüberschreitenden Handel

Isabelle Broszat

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  • Markus Bitzer, ehemaliger Zollfahnder, weiß wie die Zollbehörde tickt und arbeitet. Er selbst war dort 17 Jahre tätig. Mit seiner Erfahrung und Expertise berät er jetzt unter anderem Steuerberater:innen, Rechtsanwält:innen und Unternehmer:innen, damit diese nicht von Zollprüfungen überrascht und Nachforderungen ausgesetzt sind.
  • Nadja Müller ist Steuerberaterin und Head of E-Commerce bei fynax. Nach verschiedenen Stationen bei großen Wirtschaftsprüfungen, hat sie sich einige Jahre intensiv mit den steuerrechtlichen Thematiken rundum Online-Handel beschäftigt. Seitdem lässt sie das Thema nicht mehr los. Neben ihrer eigenen Kanzlei und ihrer Funktion bei fynax, ist sie Co-Host beim fynax-Podcast „Thanks for Shopping“ (prod. von Podstars by OMR).

Ob die langersehnten Sneaker oder das neue Haushaltsgerät, das man aus einem Drittland bestellt hat – es gibt viele Situationen, in denen man Informationen zum Zoll benötigt, unabhängig ob Händler:in oder Verbraucher:in. Wir haben daher Zollexperten Markus Bitzer und E-Commerce-Steuerberaterin Nadja Müller zum Thema Zoll und Steuern befragt: Welche Regeln gelten denn bei der Verzollung von Internetbestellungen? Welche Steuern muss ich als Händler:in im Zielland bezahlen? Und was sind die größten Stolpersteine bei der Verzollung und wie vermeidet man sie?

Welche Regeln gelten bei der Verzollung von Internetbestellungen?

Markus Bitzer: Zu Beginn muss gleich differenziert werden: Wer genau bestellt die Ware? Handelt es sich um einen normalen Kunden, der von zu Hause etwas aus dem Ausland bestellt oder geht es um den Händler, der Waren importiert? Handelt es sich um den Händler, muss immer die festgelegte Obergrenze von 150 Euro beachtet werden. Ist der Warenwert geringer, dann fallen in der Regel auch keine Zollgebühren an und die Ware ist entsprechend nicht zollpflichtig. Wird der Warenwert hingegen überschritten, muss eine Zollanmeldung vorliegen, die entweder über das Internet oder über Speditionen und Zollagenturen erstellt werden kann.

Nadja Müller: Steuerrechtlich muss immer zwischen Export und Import unterschieden werden. Werden Waren importiert, ist die Einfuhrumsatzsteuer fällig. Das ist die Steuer, die bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern erhoben wird. Diese kann man sich immer dann erstatten lassen, sofern man vorsteuerabzugsberechtigt ist. Ein Export in ein Drittland ist grundsätzlich steuerfrei, da die Ware vor Ort mit den Zoll- und Steuerregularien des jeweiligen Landes belastet wird.

Wie kann man sich die Verzollung von Waren vorstellen?

Markus: Auch hier muss zwischen dem Privatbesteller und dem Händler, der in Mengen bestellt, unterschieden werden. Bekommt ein Privatbesteller seine Ware zugeschickt und der Händler hat sich nicht um die Verzollung gekümmert, wird beim Zoll geprüft, ob eine Anmeldung vorliegt oder nicht. Falls diese nicht vorliegt, wird die Sendung angehalten. Der Zoll prüft dann, ob eine Rechnung beiliegt und kontrolliert den Wareninhalt. Anschließend wird der Käufer kontaktiert und aufgefordert, eine Online-Zollanmeldung vorzunehmen, da die Freigabe erst danach erfolgen kann.

Im gewerblichen Sektor dagegen muss immer eine Zollanmeldung erfolgen. In der Regel geht es hier fast immer um Mengenbestellungen. Diese müssen, beispielsweise mithilfe von Spediteuren oder Zollagenturen, durch entsprechende Zollanmeldungen gekennzeichnet sein.  

Als Import-Händler muss man für den Export von Waren, deren Wert 1.000 Euro übersteigen, zusätzlich eine Ausfuhranmeldung vornehmen, um die Warensendung und die Einfuhr im Zielland vernünftig zu unterstützen.

Welche Dokumente werden für die Zollanmeldung benötigt?

Markus: Das hängt vom Transportweg ab. Was generell aber immer zwingend benötigt wird, ist die echte Handelsrechnung. Keine pro-forma- oder Zollrechnung, sondern die originale Handelsrechnung. Dazu kommen noch Packlisten und Frachtkostenrechnungen, und ab einem Wert von 10.000 Euro gibt es außerdem das DV1-Sonderblatt, das ausgefüllt werden muss.

Nadja: Aus steuerlicher Sicht gibt es keine zusätzlichen Dokumente, die eingereicht werden müssen. Auf jeden Fall sollte man die Ausfuhrpapiere aufheben und dokumentieren. Der Zoll bestimmt, welche Dokumente notwendig sind und genau die müssen im Prüfungsfall auch für die Steuer bereitgehalten werden. Wie Markus bereits erwähnt hat, ist die Handelsrechnung das wichtigste Dokument. Das brauchen Steuerberater in jedem Fall, um ordnungsgemäß abzurechnen. Zusätzlich fallen sonst aber keine Verpflichtungen an; die Faustregel lautet: offizielle Zollunterlagen sind auch für Steuerberater ausreichend.

Zudem wissenswert ist, dass Steuerunterlagen dieselben Aufbewahrungsfristen haben wie Zollunterlagen. Zehn Jahre sollte alles, was mit der Ausfuhr und Einfuhr von Waren zu tun hat, aufbewahrt werden.

Was hat es mit der EORI-Nummer auf sich?

Markus: Die sogenannte „EORI“-Nummer ist der englische Begriff der früheren Zollnummer und steht für „Economic Operater Registration Identification“. Das ist eine EU-weit gültige und einheitliche Identifikationsnummer, die jeder Händler braucht, der regelmäßig und gewerblich importiert und exportiert. Die Nummer muss zwingend in dem Land beantragt werden, in dem die Person ansässig ist. Aber: Auch bei Privatpersonen, die mehr als zehn Zollanmeldungen pro Jahr durchführen, empfiehlt es sich eine EORI-ID zu haben. Die Beantragung erfolgt kostenlos online und ist dabei relativ simpel, unproblematisch und schnell gemacht.

Die EORI-Nummer, die in einem Mitgliedsstaat der EU zugeteilt wird, gilt für alle Zollhandlungen innerhalb der Union. Außerhalb der EU entfaltet die ID-Nummer keine Wirkung.

Wie wird der Warenwert bei der Verzollung ermittelt?

Markus: Es gibt ein paar Regeln, wie man die Berechnung vornimmt, allerdings ist der Prozess durchaus komplex: Die Standardregelung besagt, dass der Handelspreis bzw. der vereinbarte Kaufpreis zum Zeitpunkt der Einfuhr als Grundlage gelten. Dieser muss dann aber wiederum an den Lieferweg und die Transportkosten angepasst werden – und der variiert je nach Lieferung, EU-Land oder Drittstaat.

Außerdem gibt es noch Provisionen und weitere Kosten, die als Faktoren auftreten können; es existiert hierzu eine Liste für Zu- und Abrechnungen, an der man sich orientieren kann. Frachtkosten und der Handelspreis sind die Basis des zu ermittelnden Zollwerts, der dann wiederum mit dem Zolltarif verrechnet wird. Mit der richtigen Zolltarifnummer erhält man einen Prozentsatz an zu entrichtenden Zollgebühren zugeteilt. Diese Werte müssen schließlich addiert und mit der Einfuhrumsatzsteuer verrechnet werden, um letztendlich auf den Gesamtwert zu kommen.

Welche Steuern muss ich als Händler:in im Zielland bezahlen?

Nadja: Grundsätzlich exportiert man Waren erst einmal steuerfrei und muss dann im Zielland die sogenannte Einfuhrumsatzsteuer bezahlen. Hier kommt es dann auf das jeweilige Zielland und dessen steuerrechtlichen Pflichten an.

Markus: Aus der Perspektive des Zolls kommt es immer auf die Art der Warensendung an. Generell gibt es immer Verbrauchssteuern bei bestimmten Produkten. Beispielsweise fällt die Alkoholsteuer an, wenn man sich einen Whiskey im Ausland bestellt. Bei einer Kaffeebestellung wird die Kaffeesteuer berechnet und so fort. 

Wie wird die Umsatzsteuer beim Import und Export von Waren behandelt?

Nadja: Hier kommt immer der Steuersatz des jeweiligen Landes zur Geltung. Wenn man Waren nach Deutschland importiert, fallen grundsätzlich 19 Prozent Mehrwertsteuer an, doch gibt es auch hier Ausnahmen und bei bestimmten Waren einen reduzierten Steuersatz. Geht es um einen Warenexport, muss immer geprüft werden, welcher Steuersatz in dem Zielland vorherrscht, in der EU ist das aber meist derselbe Steuersatz.

Welche Waren können bei der Verzollung ermäßigt oder gänzlich befreit werden?

Markus: Zollseitig gibt es den anfallenden Zolltarif und eine Liste für Produkte, die grundsätzlich zollbefreit sind. Zollbefreite Waren sind aber meist sehr speziell, wie zum Beispiel Ersatzteile für Flugzeuge oder für Ölbohrplattformen. Querbeet gibt es auch sonstige Ermäßigungen, die aber immer zweckgebunden sind. So sind beispielsweise Fischlieferungen nur dann bei einem Zollsatz von Null einzuordnen, wenn klar ist, dass daraus Fischstäbchen weiterverarbeitet werden. Für eine Vergünstigung müssen immer die entsprechenden Anträge gestellt werden. Hier gibt es viele Abkommen und Übereinkünfte zwischen der EU und Drittstaaten. Dennoch müssen diese immer geprüft werden.

Nadja: In der Umsatzsteuer versucht man sich immer am geltenden Zolltarif zu orientieren. Auch bei uns gibt es Produktlisten mit unterschiedlichen Steuersätzen. Das variiert in jedem Land, und egal ob es sich um einen EU-Staat oder Drittstaat handelt, können diese Steuersätze sehr unterschiedlich sein, da jedes Land das selbst regelt.

Was sind die größten Stolpersteine bei der Verzollung und wie vermeidet man sie?

Markus: Mein absoluter Top-Ratschlag, was Stolpersteine und deren Vermeidung angeht: Verantwortung! Man darf nie vergessen, dass die Zollanmeldung durch Importe oder Exporte im europäischen Rechtsrahmen einer Handelssteuererklärung gleichkommt. Das heißt, man offenbart sich und seine Waren und geht die Verpflichtung ein, alles ordnungsgemäß und richtig anzugeben. Wenn allerdings die Werte, Daten oder generell die Zollanmeldung fehlerhaft ist, dann bewegt man sich sehr schnell im Straftatenbereich und riskiert damit auch eine Steuerhinterziehung. Auch bei der Beauftragung einer Spedition ist und bleibt der Hauptverantwortliche der Händler bzw. die Privatperson. Man ist hier für seine Warensendungen immer selbst haftbar und verantwortlich, daher meine eindringliche Bitte: Übernehmt die Verantwortung früh, setzt euch mit der Thematik auseinander und überprüft eure Angaben.

Mein zweiter Punkt ist eher praktischer Natur: Man sollte im Import- und Exporthandel Daten nicht blind übernehmen. Beispielsweise geben Händler aus dem Ausland oftmals einen sechsstelligen HS-Code einer Tarifnummer an, die die Warensendung im Zielland zuordnet. Diese HS-Nummer aus dem Ausland könnte theoretisch korrekt sein, muss sich aber nicht unbedingt mit dem HS-Code aus Deutschland decken. Auch hier gilt deswegen: Verantwortung übernehmen und die Nummer prüfen, um Bußgeldern und Strafen vorzubeugen.